Presse
14. Mai 2019

Open Banking: als Regionalbank in einem Ökosystem wachsen und gedeihen

Quelle: NZZ

Die Hypothekarbank Lenzburg teilt über eine offene Schnittstelle ihre Kundendaten mit Fintech-Unternehmen, um kundenfreundlichere, innovativere Dienstleistungen anzubieten.

Die Hypothekarbank Lenzburg (HBL) ist eine Regionalbank, die seit 150 Jahren Privatpersonen, Unternehmen und Gemeinden zu ihren Kunden zählt. Aber Tradition ist nicht ihre einzige Stärke. Ebenso sehr setzt sie, angeführt von ihrer visionären Chefin Marianne Wildi, auf Eigenständigkeit und Innovation – und zwar mit einigem Erfolg.

Die offene Bank

So entschied sich die HBL 1994 als eine von wenigen Regionalbanken gegen einen Beitritt zur neu geschaffenen RBA Holding, die als Kompetenz- und Dienstleistungszentrum für rund 100 regional verankerte Institute fungieren sollte. Und im vergangenen Jahr war die «Hypi» laut eigenen Angaben die erste Schweizer Bank, die ihr Kernbankensystem über eine offene Schnittstelle Drittanbietern zugänglich gemacht hat.

Ein solcher Drittanbieter, der sich für eine Zusammenarbeit mit der HBL entschieden hat, ist das Fintech-Unternehmen Neon. Über eine App können Neon-Kunden ein Konto eröffnen, mittels einer Debit-Karte von Mastercard (die zwar von der HBL ausgegeben wird, aber mit dem Neon-Logo versehen ist) weltweit und online an der Kasse, im Laden oder im Restaurant bezahlen oder an jedem Bancomaten Geld beziehen – und vieles mehr.

Möglich macht das eine Schnittstelle zum «Maschinenraum» der HBL. Über diesen Zugang kann Neon auf Kunden- und Transaktionsdaten der Bank zugreifen. Oder anders gesagt: Die Bank stellt Dritten ihre Kundendaten und ihr Kernbankensystem zur Verfügung, das Grundoperationen wie Geldüberweisungen, Ein- und Auszahlungen vollautomatisch und unter Einhaltung aller regulatorischen Vorschriften und Sicherheitsstandards ausführt.

Die HBL kann das nur tun, wenn der Kunde sein Einverständnis dafür gibt, denn andernfalls würde sie das Bankgeheimnis verletzen. Der Kunde behält jederzeit die Kontrolle über seine Daten und geniesst den gleichen Schutz, wie wenn er über eine bankeigene E-Banking-App auf sein Konto zugreifen würde. Eine absolute Sicherheit kann es allerdings, allen Massnahmen zur Erkennung und Verhinderung von Betrugsversuchen zum Trotz, nicht geben – weder im traditionellen Bankgeschäft noch in der Open-Banking-Umwelt.

Die Kooperation von Fintech-Unternehmen und Banken hat für beide Seiten Vorteile. Neon kommt um grosse Investitionen in eine eigene IT-Infrastruktur herum, braucht sich nicht um regulatorische Fragen zu kümmern, hat Zugang zum Kundenstamm der Regionalbank und benötigt mit der HBL als Depotbank im Rücken selber keine Banklizenz – denn grundsätzlich darf nur eine Bank Kundengelder entgegennehmen und Konten unterhalten.

Über die Zusammenarbeit mit der HBL entschärft Neon zudem zwei für Fintech-Firmen typische Probleme: den Mangel an Kapital und den Mangel an Kunden. Und wie generiert Neon Erträge? In erster Linie, wenn Neon-Kunden mit ihrer Debit-Karte bezahlen und, noch besser, wenn sie dies im Ausland tun. Das Fintech-Unternehmen ist mit einem Promille-Anteil am Kartenumsatzvolumen beteiligt und verdient bei Transaktionen mit Fremdwährungen etwas dazu.

Aber auch die HBL profitiert von der Zusammenarbeit. Sie kann die innovativen und kundenzentrierten Ideen, die in der App von Neon stecken und der grösste Trumpf des Fintech-Unternehmens sind, in ihr Angebot einbinden. Letztlich bietet eine solche Zusammenarbeit die Möglichkeit, von Fintech-Unternehmen zu lernen, das eigene Geschäftsmodell den neusten Entwicklungen anzupassen und neue Ertragsquellen zu erschliessen.

Hinzu kommt, dass jeder von Neon neu gewonnene Kunde auch ein neuer Kunde der HBL ist, weil alle Neon-Konten bei der Regionalbank geführt werden. Damit eröffnet sich der HBL die Möglichkeit, Kunden über die Grenzen ihres geografisch eingeschränkten Einzugsgebiets hinaus zu gewinnen.

Neon ist nicht das einzige Fintech-Unternehmen, das über eine offene Schnittstelle auf das HBL-Kernbankensystem zugreifen darf. Auch andere innovative Anbieter wie Sonect (Bargeldbezug über das Handy) und Savedo (Anlegerservice für Festgeldanlagen) arbeiten mit der Regionalbank zusammen.

Ein zukunftsträchtiges Credo

Und zudem nutzen, neben den Fintech-Unternehmen, auch eine Reihe anderer Regionalbanken die IT-Plattform der HBL. So wächst, mit der Regionalbank im Zentrum, mit jedem neuen Kooperationspartner ein Verbund von Unternehmen heran, der als Ganzes Kunden komfortablere, vielseitigere und einfachere Dienstleistungen anbieten kann. «Ich bin stolz, dass wir es geschafft haben, die Basis eines neuen Ökosystems zu legen», sagt Marianne Wildi.

Die Strategie der gelernten Informatikerin Wildi, in der IT allen Kostenargumenten zum Trotz immer auf Eigenentwicklungen zu setzen, statt eine standardisierte Plattform einzukaufen, hat sich für die HBL ausbezahlt. Diese Unabhängigkeit und der Umstand, dass in den Zeiten der Digitalisierung eine IT-Spezialistin an der Spitze steht, erweisen sich als komparative Vorteile und halten der Regionalbank die Zukunft offen.
 

Autor: Ermes Gallarotti

Datum: 14.05.2019

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